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Der große Unterschied zwischen Selbstliebe und Narzissmus


Selbstliebe und Narzissmus

Obwohl Selbstliebe und Narzissmus auf den ersten Blick ähnlich erscheinen, gibt es große Unterschiede zwischen beiden.

Zur Definition der Selbstliebe habe ich einen eigenen Artikel geschrieben. Den findest du hier.

Der Begriff Narzissmus wird oft leichtfertig verwendet. In diesem Artikel erhältst du u.a. Einblicke in die diagnostischen Kriterien und Merkmale der narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

 

Inhaltsverzeichnis


 

Was ist Narzissmus?


Anmerkung:

Ich schreibe zur besseren Lesbarkeit in der männlichen Form.

Der Name Narzissmus stammt aus der griechischen Mythologie, die besagt, dass ein schöner Jüngling, namens Narziss, so selbstverliebt und egoistisch war, dass er letztendlich an seiner unerwiderten Liebe starb.


Laut ICD10* wird der (pathologische) Narzissmus im Bereich der Persönlichkeitsstörungen (PS) einkategorisiert, genauer: unter "sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen" (ICD10-Code: F60.8).

Die Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch ein übermäßiges Bedürfnis nach Anerkennung und Bewunderung und tritt lediglich bei 0,5 bis ca. 2 % der Gesamtbevölkerung auf.

Der Begriff wird heutzutage leider sehr schnell verwendet und viele Menschen in Schubladen gesteckt. Ist ein Mensch unsympathisch oder egoistisch, ist er Narzisst. Nicht selten bekommen Manager, die sogenannten Macher, diesen Stempel aufgedrückt.

Wir alle tragen narzisstische Persönlichkeitsanteile in uns. Bei einem sind sie mehr, bei anderen weniger stark ausgeprägt.


Schauen wir genauer hin!


Was sagt die ICD 10?


Wie bei allen Persönlichkeitsstörungen (PS) müssen die allgemeinen Kriterien erfüllt sein:

  • Beginn in der Kindheit/ Jugend

  • es ist fest im Charakter verankert

  • Abweichungen von der Gesellschaft in Verhalten, Gedanken, Emotionen

  • hohe Komorbidität mit anderen Erkrankungen (Depression, Süchte, ...) und

  • es besteht ein starker Leidensdruck der Betroffenen oder des Umfelds.


Die narzisstische PS braucht eine Diagnose, die nur ein Psychologe, Psychotherapeut oder Heilpraktiker für Psychotherapie stellen kann.

Für die Diagnose werden mindestens 5 von 9 Merkmale benötigt.


  1. Ich bin grandios Die eigenen Leistungen, Fähigkeiten, Künste und Talente werden als etwas besonders Bedeutendes angesehen. In einem Interview erzählte ein Betroffener, dass er bereits im Studium und später durch seine Berufswahl das Gefühl hatte, er wäre anderen überlegen, er steche aus der "Masse" heraus und sei etwas Besonderes.

  2. Ich bin schön und erfolgreich Viele Themen handeln von Schönheit (Kleidung, Aussehen), Glanz, Erfolg, Macht und der perfekten Liebe. Diese Fantasien bestimmen einen Großteil des Lebens.

  3. Ich bin einmalig und etwas Besonderes Diese Einmaligkeit wird lediglich von Menschen verstanden, die ebenso "besonders" und "großartig" sind, wie der Betroffene selbst. Der hohe Status spielt dabei eine entscheidende Rolle.

  4. Schaut her und bewundert mich Es besteht ein Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung.

  5. Weil ich großartig bin, steht mir auch mehr zu Es wird die Extrabehandlung erwartet, nur auf Basis der eigenen Großartigkeit. Wünsche dürfen erfüllt werden und besser noch, sie stehen dem Menschen mit einer narzisstischen PS sogar zu ("Das wird mir doch niemand vorenthalten!").

  6. Schön, dass du meinen Glanz verstärkst Zwischenmenschliche Beziehungen werden zum eigenen Vorteil ausgenutzt, um Ziele zu erreichen (wirtschaftliche, emotionale und physische "Ausbeute"). Gibt es Menschen, die die Macht verstärken können, z. Bsp. bewundernswerte Persönlichkeiten, bekommen sie die ganze Aufmerksamkeit. Der Narzisst identifiziert sich mit Menschen, die ihn "wichtiger" fühlen lassen ("Ich bin in bester Gesellschaft!").

  7. Empathie, was ist das? Ein weiteres Merkmal bei Menschen mit einer narzisstischen PS ist der Mangel an Empathie. Durch die Selbstbezogenheit ist es schwer, Bedürfnisse und Gefühle anderer anzuerkennen.

  8. Bist du nicht auf meinem Level, bist du raus! Durch die eigene Großartigkeit gibt es viele Menschen, die neidisch sind. Es kann aber auch das Gegenteil sein, dass Personen, dem der Betroffene nicht "das Wasser reichen können", den Neid auf sich ziehen werden.

  9. Was willst du mir? Das 9. und letzte Merkmal beinhaltet das arrogante und hochmütige Verhalten des Betroffenen.



Unterschiede Narzissmus und Selbstliebe


Jetzt, da du die typischen Merkmale und Denkinhalte bei einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung kennst, wird es nicht schwerfallen, die Unterschiede zur Selbstliebe zu benennen.


Empathie


Selbstliebe:

Durch Selbstmitgefühl und die Fähigkeit, sich liebe- und verständnisvoll selbst zu begegnen, können auch die Bedürfnisse und Gefühle anderer verstanden und darauf eingegangen werden.

Narzissmus:

Die PS ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Empathie und das Fehlen am persönliche Interesse anderer Menschen.


Selbstwert


Selbstliebe:

Menschen, die gut für sich sorgen, sich mit allen Stärken und Schwächen annehmen, brauchen keine Aufmerksam von Außen. Sie sind sich selbst genug und kennen ihren Wert.

Narzissmus:

Menschen mit einer stark ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeitsakzentuierung oder einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung haben ein kleines Selbstbewusstsein und verstecken dieses hinter einem fetten Image. Ihnen fehlt die Selbstliebe.


Selbstwahrnehmung


Selbstliebe:

Ein Mensch, der sich respektiert und selbst akzeptiert, ist nicht abhängig von der Meinung anderer. Er ist mit sich im Reinen und strahlt das auch aus. Seine Wahrnehmung ist realistisch.

Narzissmus:

Der Narzisst schätzt sich als den wichtigsten Menschen ein und überschätzt sich dabei. Er ist außergewöhnlich und erwartet die ihm zustehende Sonderbehandlung von seiner Umwelt. Anerkennung und Selbstaufwertung sind das A &O. Gelingt ihm dies nicht, fordert er sie gerne ein. Kritik wird kaum toleriert und bedeutet Angriff. Die Selbstwahrnehmung ist dementsprechend positiv, jedoch nicht real.


Beziehungen


Selbstliebe:

Die Selbstliebe ist die Basis für gesunde Beziehungen für sich selbst und deren Mitmenschen. Die eigenen Bedürfnisse werden mitgeteilt und die der Mitmenschen auch respektiert.

Narzissmus:

Ein Mensch mit einer narzisstischen PS ist selbstverliebt. Probleme mit Kollegen und in Liebesbeziehungen sind durch den Mangel an Empathie vorprogrammiert. Die eigenen Bedürfnisse werden durch Ausnutzung und Manipulation und Abwertung anderer befriedigt. Wird sein Vertrauen missbraucht, bedeutet es das endgültige Aus.


Ich möchte betonen, dass ich bei der Aufzählung der Unterschiede vom "Schlimmsten" ausgegangen bin. Jeder Mensch ist individuell.

Es macht mich traurig zu lesen, wie viele Hass-Nachrichten es gegen Narzissten gibt. Denn wie du erfahren hast, steckt hinter dem scheinbar sehr großen Selbstbewusstsein, die Angst vor Ablehnung und ein schwaches Selbstwertgefühl. Die Genetik, häufige Traumatisierungen, Verletzungen oder Überbehütung in der Kindheit und tiefes Leid sind einige Ursachen der Erkrankung.


Therapie der narzisstischen Persönlichkeitsstörung


Menschen mit einer narzisstischen PS kommen selten in die Praxis. In den meisten Fällen erst, wenn sie sich in der sogenannten narzisstischen Krise befinden. Selbst für erfahrene Therapeuten ist es schwierig und oft frustrierend, mit ihnen zu arbeiten. Doch es ist unerlässlich, denn die größte Gefahr ist die narzisstische Kränkung. Wird er abgelehnt, erschüttert das sein Weltbild so sehr, dass er sich das Leben nehmen möchte. Das therapeutische Ziel ist die Verbesserung der Interaktionsfähigkeit mit den Mitmenschen, das Erlernen von Empathie und die Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls.


Fazit


Der Artikel verdeutlicht die Unterschiede zwischen Selbstliebe und Narzissmus. Während Selbstliebe eine gesunde Selbstachtung und Empathie beinhaltet, handelt es sich beim pathologischen Narzissmus um eine Persönlichkeitsstörung, die durch übermäßige Selbstbewunderung, Mangel an Empathie und unrealistische Selbstwahrnehmung gekennzeichnet ist.



*ICD10: International Classification of Mental and Behavioural Disorder - Tenth Edition.

Das bedeutet, es ist ein weltweit anerkanntes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Krankheiten werden nach Gruppen sortiert und erhalten einen Code. Die Nummer 10 ist die noch gültige Ausgabe der Weltgesundheitsorganisation (WHO).




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